5. Europamusicale in München – Konzert des Troubadours Art Ensemble
Toccata Alte Musik Magazine
2009
Das Programmheft hatte nicht gelogen: „mit ihrer ausdrucksstarken und wunderschönen Stimme zeigt Sandra Hurdato-Ròs ihre Leidenschaft für Melodien, welche sie mit ihren sevillanischen Wurzeln und den tiefgründigen Liedern ihrer andalusischen Heimat verknüpft“. Bei mir hinterlassen solche Skizzierungen meist den Beigeschmack eines marktschreierischen Werbetextes. Doch diesmal ist das die pure Wahrheit. Sandra Hurdato-Ròs überzeugt und fesselt den Hörer von der ersten Minute des Konzertes an, wiewohl ihre Stimme in der Mittellage nicht weit dringen kann, was an der Akustik der Allerheiligen-Hofkirche der Residenz zu München liegen mag.
Hierher luden die Veranstalter, das Festival Europamusicale, und das Troubadours Art Ensemble am Freitag,, den 15. Mai 2009 zu einem spannenden und gelungenen Abend mit südfranzösischer und spanischer Mittelaltermusik. Leiter des Ensembles ist Gérard Zuchetto, der sich bereits seit Jahrzehnten der Musik der Troubadours, der Trobars, der Trouveres, verschrieben hat und die „Art de Trobar“ vorbildlich beherrscht. Vor allem geht es Gérard Zuchetto im Verständnis der Kunst der Troubadours, Liebe und Höflichkeit als Europäische Werte wiederzufinden und unserer Gesellschaft zu helfen, ihre kulturellen Wurzeln im Humanismus wiederzuentdecken. Sein Künstlertum ist ihm Lebenskunst. Liebe und Höflichkeit, hier in der Bedeutung Minne und Höfisches Benehmen, die Kunst des Miteinanders, der richtige Ehrbegriff, die Ritterlichkeit – alles verlorene Begriffe und Werte; eine große Aufgabe und für einen allein wohl kaum zu bewältigen.
Zusammen mit Gérard Zuchetto (Clarins, Gesang) und Sandra Hurdato-Ròs (Serpati, Hang, Gesang) wirkten Patrice Villaumè (Drehleier, Psalterium), Mick-André Rochard (Oud, Guiterne, Fidel) und der, leider im Programmheft nicht erwähnte, Thierry Gomar (Percussion) – allesamt Meister ihres Metiers.
Diese ausgezeichneten Musiker, die ständig hoch virtuos agierten und zum Teil Atem beraubende Kunststücke auf ihren jeweiligen Instrumenten vorführten, stellten eine meiner Lieblingsmusiken vor: Die Musik des 12. Jahrhunderts, als die Minne entstand und die Troubadoure durchs Land zogen. Es war die Zeit der ersten drei Kreuzzüge und der kleine Mann des Abendlandes (und dazu zähle ich auch den einfachen Ritter und den niederen Adeligen) kam erstmals mit der prachtvollen Kultur des Morgenlandes, mit Konstantinopel und dem Byzantinischen Reich oder den Städten der Sarazenen in Kontakt. Über Spanien, hebräisch „sfarad“ genannt, und das Reich der Almohaden mit dem Zentrum Granada wirkte auch die arabische Musik auf die Westeuropäer ein, brachte das Instrumentarium und die Weisen. Und so spielt das Troubadours Art Ensemble folgerichtig auf der Oud, der arabischen Laute, der Guiterne, der Fidel, der Schalmei. Und sie spielen vor allem auch Stücke von anonymen Serfardim, den jüdischen Altbewohnern Spaniens, die hier seit dem 8. Jahrhundert lebten und nach dem Fall Granadas 1492 vertrieben wurden.
Dass uns diese hier vorgetragene Musik so sehr an heutige Folklore der islamischen Welt erinnert (bei Peirols „Per dam que d’amor“ meinte ich sogar etwas „Karibik“ herauszuhören), sie definitiv auch ist, liegt daran, dass sich die vertriebenen Sefardim überall in den Ländern des südlichen Mittelmeeres bis hinauf in die heutige Türkei niederließen, sich mit der Bevölkerung mischten und ihre Kultur als Katalysator für die dort herrschende fungierte. Lediglich die italienische Estampie, welche instrumental vorgetragen wurde, hinterließ einen anderen Eindruck – das war noch immer irgendwie „arabisch“, hatte jedoch bereits einen gewissen süditalienischen Touch.
Neben den vier reinen Instrumentalwerken und den sefardischen Gesängen hörte man vor allem aber Lieder der Troubadoure. Hier war Raimon de Miraval (1191-1229) mit drei Werken (eine Canzone gab es als Zugabe) stark vertreten. Miraval, aus der Gegend von Carcassonne stammend und am Hofe des Grafen Raimund VI von Toulouse lebend, verlor im Albigenserkrieg seine Burg Miraval, war mit der Dichterin Gaudairenca verheiratet und hinterließ 50 Lieder. Gräfin Beatriz de Dia, genannt „Trobairitz“ (geb. ca. 1140) war zwar mit Guilhem de Peitiens verheiratet, jedoch in den Troubadour Raimbaut de Vaqueiras (+ nach 1202) verliebt; ihm widmete sie ihre Lieder, welche die Minne aus der Sicht der Frau beschreiben, vier Lieder sind überliefert, eines davon sogar mit Melodie, welches dann auch im Konzert erklang („A chantar m’er de so qu’ieu no volria“). Bernart de Ventadorn war wohl gar kein Ritter sondern der Sohn eines Bäckers auf Burg Ventadour in der Gemeinde Monstier-Ventadour. Daher heißt man ihn auch „Bernart de Ventadour“ (um 1125-um 1195). Und Jaufre Rudel, Fürst von Blaya (um das heutige Städtchen Blaye in Südfrankreich) ging mit seinem Onkel und Lehnsherrn, dem Herzog von Angoulême auf den eigentlich erfolglosen Zweiten Kreuzzug (1147-1149), landete am 13. April 1148 in Akkon und hinterließ acht Gedichte, in welchem er auch die herzerweichende Mär der schönen „Gräfin von Tripolis“ verbreitet, wegen deren Schönheit, von der ihm heimkehrende Kreuzfahrer berichteten, er das Kreuz nahm, um zur Stunde seiner Landung im Heiligen Land, damals das Königreich Jerusalem, die seine Todesstunde werden sollte, sterbend in ihren Armen sein Leben auszuhauchen. Wunderschön, aber nicht wahr.
Wahr ist hingegen, dass diese Zeit und diese Musik für uns normalerweise absolut verloren sind. Nur wenige Spezialisten stellen ab und an solch ein Programm vor und es ist den Veranstaltern und dem Ensemble hoch anzurechnen, solch ein Konzert in München angeboten zu haben. Das war eine Kostbarkeit, eine Rarität, solche Momente gibt es nicht oft im Konzertleben und auch allgemein im täglichen Leben. Das begriff auch das Publikum, das den hervorragenden Künstlern lang anhaltenden Beifall und viele Bravi spendete.
Robert Strobl – Toccata Alte Musik Magazine